Einfluss der Motivationsrichtung auf die Qualität und Stabilität der Dolmetschleistung

Soňa Hodáková

Lehrstuhl für Translationswissenschaft

Philosoph Konstantin-Universität in Nitra, Slowakei

shodakova@ukf.sk

 

Abstact

The article presents a pilot study on the influence of motivational intensity and orientation on the quality and stability of the simultaneous interpreting performance when working with longer speeches. The main hypothesis is that students who display higher levels of anxiety enhancing performance cope better with the cognitive demands of interpreting longer speeches simultaneously than their peers displaying higher levels of anxiety impairing performance. The subjects in the group of better interpreters have had on average higher scores in need for achievement and in the performance enhancing components of anxiety. On the contrary, the subjects in the group of worse interpreters have had higher scores in the performance impairing components of anxiety.                                        When we compare the groups and look at how motivational orientation influences the individual groups, it becomes statistically significant that motivational orientation influences not only on the interpreting competence but also on the quantity of the interpreted text and the quality and stability of the interpreting performance. In the better interpreters’ group, performance impairing motivational orientation negatively influences the interpreted amount of information. In contrast to that, performance enhancing motivational orientation negatively influences the interpreted amount of information in the worse interpreters’ group.

 

Abstrakt

Der vorliegende Beitrag präsentiert eine Pilotstudie, die den Einfluss von Intensität und Richtung der Motivation auf die Qualität und Stabilität der Leistung beim Simultandolmetschen längerer Texte untersuchte. Die Haupthypothese war dabei, dass Studenten mit einem höheren Niveau von leistungsfördernder Anxiosität besser mit der kognitiven Belastung beim Simultandolmetschen von längeren Texten umgehen als Studenten mit einem höheren Niveau von leistungshemmender Anxiosität. Die  Testpersonen in der Gruppe der besseren Dolmetscher erreichten im Durchschnitt ein höheres Skore im Leistungsmotiv  und in der leistungsfördernden Komponente der Anxiosität. Die Gruppe der schwächeren Dolmetscher hingegen erreichte ein höheres Skore in der leistungshemmenden Komponente der Anxiosität. Bei dem Vergleich, wie die Motivationsrichtung die Dolmetschleistung in den einzelnen Testgruppen konkret beeinflusst, kommt man anhand der statistischen Signifikanz zu dem Schluss, dass sich die Richtung der Motivation je nach Dolmetschkompetenz    unterschiedlich auf die Menge der korrekt verdolmetschten Textsegmente, also auf die Qualität und Stabilität der Leistung auswirkt. In der Gruppe der besseren Dolmestcher wirkt sich leistungshemmende Motivationsrichtung negativ auf die verdolmetschte Informationsmenge aus. Im Gegensatz dazu beeinflusst leistungsfördernde Motivationsrichtung in der Gruppe der schwächeren Dolmetscher die verdolmetschte Informationsmenge negativ.

 

 

Einleitung

Das Dolmetschen bietet eine breite Pallette an interdisziplinären Untersuchungsmöglichkeiten und -ansätzen, denn es stellt einen komplexen Prozess dar, bei dem viele unterschiedliche subjektive und objektive Faktoren darüber entscheiden, ob der Transfer von Informationen erfolgreich ist oder nicht.                                                                        Betrachtet man nur die subjektiven Aspekte (also die Persönlichkeit des Dolmestchers), die die Dolmetschleistung beeinflussen, ist nicht nur die linguistische, interkulturelle und translatorische Kompetenz des Dolmetschers von Bedeutung. Eine wichtige Rolle spielt auch seine psychologische und psychische „Ausrüstung“ , d.h. auch seine kognitiven Fertigkeiten und persönlichen Eigenschaften. Im Bezug auf die kognitiven Fertigkeiten betrachtet man Dolmetschen als kognitive „Spitzenleistung“, bei der unterschiedliche Arbeitsgedächtnissprozesse (Konzentration, Aufmerksamkeitsprozesse,  kurzfristiges Behalten von Informationen im Gedächtnis, Aufrufen von Informationen und Assoziationen aus dem Langzeitgedächtnis, exekutive Prozesse wie Koordination einzelner Teilaktivitäten, Intergration neuer Informationen in existierende Schemata, Bildung von neuen Schemata, Output Monitoring etc.) gefragt sind. Es ist unumstritten, dass die Leistung in jeder Tätigkeit (physisch und psychisch) besser und stabiler ist, wenn man einen gewissen Grad an Motivation erreicht hat. In diesem Zusammenhang spricht man dann von der Bedeutung gewisser persönlicher Eigenschaften, die dem Dolmetscher eine gute Grundausrüstung gewährleisten. Da das Dolmetschen zugleich auch eine Stresssituation bedeutet (kognitive Belastung, Lampenfieber, Angst vor dem Versagen etc.), ist es entscheidend, nicht nur welche Intensität die Motivation erreicht (Ausmass und Ausprägungsgrad), sondern auch in welche Richtung sie orientiert ist. Hierbei unterscheiden wir bei der Motivation zwei gegensätzliche  Tendenzen, hinsichtlich dessen, wie sie die Leistung im Allgemeinen beeinflussen: leistungsfördernde Anxiosität, die die Leistung der Person unterstützt (steigert, positiv beeinflusst) und als Gegenpol dazu leistungshemmende Anxiosität, die die Leistung der Person bremst (negativ beeinflusst).                                        Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dem Einfluss von Motivation als einem Persönlichkeitsfaktor auf die Qualität und Stabilität der Dolmetschleistung eines Individuums.

Psychologische Konzepte der Motivation

Den Begriff der Motivation benutzt man im Alltag relativ häufig, und zwar in der Regel in der Bedeutung von einem gewissen „Motor“, der uns zu einer Tätigkeit, Handlung oder Entscheidung antreibt. Auch im Kontext des Dolmetscherberufes spricht man oft z. B. über die Motivation zur Wahl der Studienrichtung Dolmetschen, später dann über die Motivation für den Beruf des Dolmetschers im längerfristigen Horizont oder über die Motivation bei konkretem Dolmetschauftrag im kurzfristigen Horizont. Hierbei kann man auch zwischen der externen (extrinsischen) Motivation z. B. in Form von Belohnung (finanzielle Belohnng, Lob usw.) und der internen (intrinsischen) Motivation z. B. dem guten Gefühl nach einer erfolgreich gemeisterten Herausforderung unterscheiden. In der Psychologie gibt es unterschiedliche wissenschaftliche Konzepte, die sich mit der Motivation befassen. Betrachtet man die Motivation kontextbedingt, also auch unter dem Aspekt kurzfristig vs. langfristig,  muss man den Motivationsprozess als multidimensional verstehen. So entwickelte Vallerand (1997) das hierarchische Strukturmodell der Motivation, dass aus drei Stufen besteht, die sich gegenseitig hierarchisch beeinflussen:

  1. Globale Motivation – bezieht sich auf die allgemeine Disposition der Persönlichkeit und stellt daher die höchste Stufe dar.
  2. Kontextuelle Motivation – äussert sich als die motivationale Orientierung und kontextspezifischen Regulationsstrategien in verschiedenen Domänen (Sport, Beruf etc.)
  3. Situative Motivation – bezieht sich auf die Motivation „Hier und Jetzt“, d.h. in einer bestimmten Situation.

Bei allen Stufen der Hierarchie spielen dabei sowohl intrinsische als auch extrinsische, bzw. sowohl  individuelle als auch soziale Faktoren eine Rolle.

Im Zusammenhang mit leistungsmotiviertem Verhalten versteht Gabler (2002, 52) unter dem Begriff Leistungsmotivation alle aktuellen, emotionalen und kognitiven Prozesse, die bei einem Individuum in der Auseinandersetzung mit einer Leistungssituation angeregt werden. Von leistungsmotiviertem Verhalten spricht man also dann, wenn die Person sich mehr bemüht, sich mehr konzentriert, länger durchhält, der Aufgabe grössere Aufmerksamkeit schenkt und bereit ist, länger zu üben (Roberts, 2001, 8). Forschungen haben gezeigt, dass sich das Leistungsmotiv schon in der frühen Kindheit entwickelt. Eine bedeutende Rolle spielen dabei sowohl die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes, als auch die Grundbedürfnisse (z. B. nach Autonomie und Kompetenz) und die Anreize und Anforderungen der Umwelt (Forderungen nach Leistung und Selbständigkeit) (Trudewind, 1975; Deci&Ryan, 1993). 1957 entwickelte Atkinson das Risiko-Wahl-Modell, das das leistungsorientierte Verhalten einerseits durch Merkmale der Person und andererseits durch Situationsmerkmale determiniert. Bei dem Leistungsmotiv (Merkmal der Person) unterscheidet er eine Annäherungskomponente und eine Vermeidungskomponente. Die Annäherungskomponente repräsentiert das Erfolgsmotiv, d.h. die Tendenz, Erfolg anzustreben. Die Vermeidungskomponente hingegen kommt als Misserfolgsmotiv zum Ausdruck, d.h. die Tendenz, Misserfolg zu vermeiden.  Rheinberg et al. (1980) definieren in diesem Zusammenhang erfolgsmotivierte Personen als Personen  mit einer angemessenen und realistischen Zielsetzung, mit einer positiven Kausalattribuierung, die ihren Erfolg in einer Aufgabe eher auf internale Faktoren (z.B. Fähigkeiten, Begabung) und den Misserfolg auf externale Faktoren (soziale Umgebung, Schwierigkeitsgrad der Aufgabe) zurückführen. Das Gefühl der Freude bei einem Erfolgserlebniss ist bei ihnen stärker ausgeprägt als das unangenehme Gefühl (z.B. Ärger) nach einem Misserfolg. Misserfolgsmotivierte Personen hingegen nehmen in der Regel eine unrealistische Zielsetzung vor. Entweder bevorzugen sie sehr leichte Aufgaben, um Misserfolg zu vermeiden, oder zu schwere Aufgaben, um Misserfolg legitimieren zu können. Ihren Erfolg führen sie eher auf externale Faktoren zurück, den Misserfolg hingegen auf internale Faktoren wie z. B. mangelnde Kompetenz. Laut Spinath & Schöne (2003) sind Erfolgsmotivierte überzeugt, dass Leistung steigerbar ist und dass insbesondere Anstrengung für den Erfolg entscheidend ist. Misserfolgsmotivierte hingegen sind in der Regel der Überzeugung, dass sie eigene Fähigkeiten nicht entscheidend beeinflussen können und dass vor allem Begabung ausschlaggebend für den Erfolg ist.

Einfluss der Motivation auf die Dolmetschleistung: Pilotuntersuchung

Um zu untersuchen, inwiefern die Motivation die Leistung eines Individuums beim Dolmetschen beeinflusst, haben wir 2018 eine Pilotuntersuchung an Dolmetschstudenten durchgeführt, bei der der Einfluss von Intensität und Orientation der Motivation auf die Qualität und Stabilität der Leistung beim Dolmetschen längerer Texte ermittelt wurde. Die Haupthypothese war dabei, dass Studenten mit einem höheren Niveau von leistungsfördernder Anxiosität besser mit der kognitiven Belastung beim Simultandolmetschen von längeren Texten umgehen als Studenten mit einem höheren Niveau von leistungshemmender Anxiosität. An der Pilotstudie nahmen 9 Studenten des Masterstudienprogramms  Übersetzen und Dolmetschen der Philosoph Konstantin-Universität in Nitra, Slowakei  teil. Die Daten von den Person wurden innerhalb eines Semesters (3 Monate) gesammelt.                                Zur Ermittlung von Ausmass und Richtung der Motivation von den Probanden wurde der Test Dotazník motivácie výkonu (Leistungsmotivationsfragebogen, DMV) von Pardel, Maršálová & Hrabovská (1984) verwendet. Bei der Methodik handelt es sich um den modifizierten Leistungsmotivationstests (L-M-T) von H. Hermans et al. (1976), der neben dem Erfolgsmotiv und dem Misserfolgsmotiv (Misserfolgsfurcht) grundsätzlich zwei Komponenten der Motivation misst – leistungsfördernde und leistungshemmende Komponente. DMV ermöglicht die Ermittlung von Leistungsmotiv, leistungshemmender und leistungsfördernder Anxiosität. Die Dolmetschleistung wurde bei jeder Testperson anhand von jeweils 8 verdolmetschten Texten während  eines Semesters ermittelt. Bei den Ausgangstexten handelte es sich um deutschsprachige Texte in Dauer von 20 bis 55 Minuten, sie wurden von den Testpersonen simultan in den Dolmetschkabinen ins Slowakische verdolmescht und aufgenommen. Die Aufnahmen wurden anschliessend anonym von zwei Bewertern unabhängig voneinader auf zwei verschiedene Weisen bewertet:

  1. Die Leistung der Personen in jedem verdolmetschten Text wurde auf einer 7-stufigen Skala von 1 bis 4 bewertet (1 – 1,5 – 2 – 2,5 – 3 – 3,5 – 4), wobei 1 die beste Leistung bedeutete und 4 die schwächste. Am Ende des Semesters wurde dann ein Durchschnittsskore für jeden Probanden errechnet. Anhand des erreichten Durchschnittswertes wurden die Personen in zwei Gruppen geteilt – „bessere  Dolmetscher“ (Bewertung ˂2,5) und „schwächere Dolmetscher“ (Bewertung ≥2,5).
  2. Jeder Text wurde im Voraus in Segmente gegliedert, die entweder eine Schlüsselinformation (Hauptinformation) getragen haben, oder nur eine für den Textinhalt weniger bedeutende Nebeninformation beinhaltet haben. Bei dieser Propositionsanalyse wurde bei jeder Testperson pro Text der prozentuelle Anteil der verdolmetschten  Haupt- und Nebeninformationen errechnet. Am Ende des Semesters konnte dann für jede Person ein Durchschnittsskore für den prozentuellen Anteil der vedolmetschten Haupt- und Nebeninformationen ermittelt werden.

Bei der Bewertung der Leistungsmotivation wurden also drei Faktoren berücksichtigt: das Leistungsmotiv allgemein (LM_DMV), das die Intensität der Motivation bestimmt und die leistungsfördernde (LF_DMV) und leistungshemmende Komponente (LH_DMV) der Anxiosität, die die Richtung der Motivation determinieren.              Für die Qualität und Stabilität der Dolmetschleistung einer Person waren zwei Parameter entscheidend: die allgemeine durchschnittliche Bewertung auf  einer Bewertungsskala (1 – bessere Dolmetscher,  2 – schwächere Dolmetscher) und die durchschnittliche Anzahl von korrekt verdolmetschten Textsegmenten (Anzahl der Hauptinformationen – D_HAUPT, Anzahl der Nebeninformationen – D_NEBEN und die Gesamtanzahl aller verdolmetschten Informationen – D_GESAMT).

Tab. 1: Frequenztabelle der Leistungsmotivation bei besseren und schwächeren Dolmetschern

In der Frequenztabelle (Tab. 1) werden die Durchschnittswerte einzelner Komponenten der Leistungsmotivation in den Testgruppen dargestellt. Der Durchschnittswert des Leistungsmotivs im Leistungsmotivationsfragebogen (LM_ DMV) in der Gruppe der besseren Dolmetscher war 103.40 (Minimalwert 90.00, Maximalwert 138.00), in der Gruppe der schwächeren Dolmetscher nur 89.52 (Min. 60.00, Max. 106.00). Das Durchschnittsskore der leistungshemmenden Komponente im Leistungsmotivationsfragebogen (LH_DMV) war in der Gruppe der besseren Dolmetscher 42.40 (Min. 32.00,  Max. 57.00), also wesentlich niedriger als in der Gruppe der schwächeren Dolmetscher (58.00, Min. 43.00, Max. 72.00). Das Durchschnittsskore der leistungsfördernden Komponente im Leistungsmotivationsfragebogen (LF_DMV) war in der Gruppe der besseren Dolmetscher 36.60 (Min. 16.00,  Max. 49.00), also höher als in der Gruppe der schwächeren Dolmetscher (33.25, Min. 23.00, Max. 42.00).                              Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die Testpersonen in der Gruppe der besseren Dolmetscher ein höheres Skore im Leistungsmotiv  und in der leistungsfördernden Komponente der Anxiosität erreicht haben. Die Gruppe der schwächeren Dolmetscher hingegen erreichte ein höheres Skore in der leistungshemmenden Komponente der Anxiosität. Zur Ermittlung der statistischen Beziehungen zwischen den einzelnen Aspekten der Leistungsmotivation und der Dolmetschleistung in den beiden Testgruppen wurde die Pearson Correlation benutzt.

Tab. 2: Korrelationstabelle: Leistungsmotivation und Dolmetschleistung bei besseren Dolmetschern

In der Korrelationstabelle (Tab. 2) werden die statistischen Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten der Leistungsmotivation und den verschiedenen Aspekten der Dolmetschleistung in der Gruppe der besseren Dolmetscher dargestellt.

Es konnten mehrere statistisch signifikante Beziehungen festgestellt werden. Es besteht eine statistisch signifikante, starke, negative Beziehung (r = -0.898) zwischen der leistungshemmenden und der leistungsfördernden Komponente im Leistungsmotivationsfragebogen. Diese Beziehung ist ein natürliches Resultat, da die einzelnen Motivationsrichtungen in der Regel als antagonistisch angesehen werden.                                                     Es besteht auch eine statistisch signifikante, starke, positive Beziehung (r = 0.972) zwischen der gesamten Anzahl der korrekt verdolmetschten Textsegmente und der Anzahl der korrekt verdolmetschten Hauptinformationen. Es handelt sich wieder um eine logische Tatsache, da das Verdolmetschen von relevanten Hauptinformationen ein en-tscheidender Faktor bei der Gesamtbewertung der verdolmetschten Informationsmenge ist. Weiter besteht in der Gruppe der besseren Dolmetscher eine statistisch signifikante, starke, negative Beziehung (r = -0.929) zwischen der leistungshemmenden Komponente der Motivation und der Anzahl der verdolmetschten Hauptinformationen. Das bedeutet, je stärker leistungshemmend die Richtung der Motivation bei einer Person war, desto weniger Hautinformationen ist es ihr gelungen, zu verdolmetschen.

Tab. 3: Korrelationstabelle: Leistungsmotivation und Dolmetschleistung bei schwächeren Dolmetschern

In der Korrelationstabelle (Tab. 3) werden die statistischen Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten der Leistungsmotivation und den verschiedenen Aspekten der Dolmetschleistung in der Gruppe der schwächeren Dolmetscher dargestellt. In dieser Testgruppe war der Einfluss der Motivationsrichtung auf die Dolmetschleistung gegensätzlich im Vergleich zu der Gruppe der besseren Dolmetscher. Es wurde eine statistisch signifikante, starke, negative Beziehung zwischen der leistungsfördernden Komponente der Motivation und der Anzahl der korrekt verdolmetschten Hauptinformationen festgestellt (r = -0.957), d.h. je stärker leistungsfördernd die Motivationsrichtung einer Person in der Testgruppe der schwächeren Dolmetscher war, desto weniger Hauptinformationen ist es ihr gelungen, korrekt zu verdolmetschen. Wenn man also vergleicht, wie die Motivationsrichtung die Dolmetschleistung in den einzelnen Testgruppen beeinflusst, kommt man anhand der statistischen Signifikanz zu dem Schluss, dass sich die Richtung (Orientierung) der Motivation einer Person je nach Dolmetscherkompetenz (besser vs. schwächer) unterschiedlich auf die Menge der korrekt verdolmetschten Textsegmente, also auf die Qualität und Stabilität der Leistung auswirkt. In der Gruppe der besseren Dolmestcher wirkt sich leistungshemmende Motivationsrichtung negativ auf die korrekt verdolmetschte Informationsmenge aus. Im Gegensatz dazu beeinflusst leistungsfördernde Motivationsrichtung in der Gruppe der schwächeren Dolmetscher die korrekt verdolmetschte Informationsmenge negativ.

Eine mögliche Erklärung liegt in  der Annahme, dass nicht nur die Intensität und Richtung der Motivation des Dolmetschers entscheidend für die Qualität und Stabilität seiner Leistung sind, sondern dass diese den richtigen Effekt nur in Verbindung mit einer allgemeinen Dolmetschkompetenz (Sprachkompetenz, translatorische Kompetenz, Informationsverarbeitung, kognitive Fertigkeiten etc.) erzielen. Man kann also annehmen, dass die Motivation trotz ihrer leistungsfördernden Orientierung auch kontraproduktiv wirken kann, wenn sie nicht mit anderen Fähigkeiten und Fertigkeiten gepaart ist, die beim Dolmetschprozess notwendig sind, um die Informationen in der rezeptiven Phase richtig zu dekodieren und zu analysieren, um sie im Arbeitsgedächtniss effektiv zu speichern und zu verarbeiten, um in der produktiven Phase einen sprachlich und inhaltlich kohärenten Text darbieten zu können und um alle parallel laufenden Prozesse gleichzeitig zu koordinieren und zu monitorieren. Da es sich bei der vorliegenden Studie um eine Pilotuntersuchung an einer sehr kleinen Testgruppe handelt, ist es selbstverständlich nicht möglich, verallgemeinernde Schlüsse zu ziehen. Vielmehr ist es notwendig, die Anzahl der Testpersonen zu vergrössern. Dennoch zeigt die statistische Signifikanz der ermittelten Korrelationen eine gewisse Tendenz, die weitere Untersuchungen in diesem Bereich zweifellos sinnvoll macht.

 

Zusammenfassung und Ausblick

In der vorliegenden Studie wurde der Einfluss von Intensität und Orientation der Motivation auf die Qualität und Stabilität der Leistung beim Dolmetschen längerer Texte untersucht. Es handelte sich um eine Pilotuntersuchung.      Die Haupthypothese war, dass Dolmetschstudenten mit einem höheren Niveau von leistungsfördender Anxiosität besser mit der kognitiven Belastung beim Simultandolmetschen von längeren Texten umgehen als Dolmetschstudenten mit einem höheren Niveau von leistungshemmender Anxiosität. Zu diesem Zweck wurden die Testpersonen anhand festgelegter Kriterien in zwei Gruppen (bessere und schwächere Dolmestcher) geteilt. Bei diesen Gruppen wurde dann der allgemeine Wert des Leistungsmotivs, die Motivationsrichtung (leistungsfördernde vs. leistungshemmende Anxiosität), sowie die Qualität und Stabilität ihrer Dolmetschleistung (Anzahl von korrekt verdolmetschten Segmenten bei längeren Texten) gemessen. Die  Testpersonen in der Gruppe der besseren Dolmetscher erreichten im Durchschnitt ein höheres Skore im Leistungsmotiv  und in der leistungsfördernden Komponente der Anxiosität. Die Gruppe der schwächeren Dolmetscher hingegen erreichte ein höheres Skore in der leistungshemmenden Komponente der Anxiosität. Mittels statistischer Analyse konnte in der Gruppe der besseren Dolmetscher eine statistisch signifikante, starke, negative Beziehung zwischen der leistungshemmenden Komponente der Motivation und der Anzahl der korrekt verdolmetschten Hauptinformationen festgestellt werden. Je stärker leistungshemmend die Richtung der Motivation bei einer Person war, desto weniger Hautinformationen ist es ihr gelungen, korrekt zu verdolmetschen.  In der Gruppe der schwächeren Dolmetscher hingegen war der Einfluss der Motivationsrichtung auf die Dolmetschleistung gegensätzlich im Vergleich zu der Gruppe der besseren Dolmetscher. Es wurde eine statistisch signifikante, starke, negative Beziehung zwischen der leistungsfördernden Komponente der Motivation und der Anzahl der korrekt verdolmetschten Hauptinformationen festgestellt. Je stärker leistungsfördernd die Motivationsrichtung einer Person in der Testgruppe der schwächeren Dolmetscher war, desto weniger Hauptinformationen ist es ihr gelungen, korrekt zu verdolmetschen.

In der Gruppe der besseren Dolmestcher wirkt sich leistungshemmende Motivationsrichtung also negativ auf die korrekt verdolmetschte Informationsmenge aus, in der Gruppe der schwächeren Dolmetscher hingegen beeinflusst leistungsfördernde Motivationsrichtung die korrekt verdolmetschte Informationsmenge negativ.                                      Eine mögliche Interpretation für diesen unterschiedlichen Einfluss der Motivationsrichtung auf die Dolmetschleistung in den beiden Testgruppen  liegt darin, dass nicht nur die Intensität und Richtung der Motivation des Dolmetschers entscheidend für die Qualität und Stabilität seiner Leistung sind, sondern dass diese den richtigen Effekt nur in Verbindung mit einer allgemeinen Dolmetschkompetenz erzielen. Dabei spielen natürlich viele weitere Faktoren eine bedeutende Rolle (Sprachfähigkeiten, kognitive Fertigkeiten, persönliche Eigenschaften usw.).                Die bisher gesammelten Daten und die daraus ermittelten Beziehungen eröffneten eine Menge potentieller Untersuchungsrichtungen. Als unmittelbarer nächster Schritt ergibt sich dabei selbstverständlich die Realisierung der Untersuchung an einer grösseren Anzahl von Testpersonen, die es ermöglicht, die Korrelationen zwischen einzelnen Faktoren zu bestätigen bzw. zu widerlegen. Des weiteren ist es notwendig, weitere Aspekte des Dolmetschprozesses in die Untersuchung einzubeziehen (z.B. kognitive Aspekte wie z. B. Aufmerksamkeitsfaktor oder Einfluss der Gedächtnisleistung, Aspekte der Persönlichkeit wie z. B. Stressbewältigungsmechanismen usw.).      Auf jeden Fall hat sich gezeigt, dass der Motivationsfaktor eine bedeutende Rolle im Dolmetschprozess und anschliessend auch beim Dolmetschprodukt spielt. Aufgrund der Vielschichtigkeit vom Simultandolmetschen ist allerdings noch unklar, wie sich Motivation in diesen komplexen Mechanismus konkret hineinfügt.

Diese Beziehungen näher zu erläutern, ist die Aufgabe einer Reihe von weiteren Untersuchungen, die unter Umständen nicht nur für die Translationswissenschaft sondern auch für die Psychologie bereichernd sind.

 

Literatur

Deci, E. L.; Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. In: Zeitschrift für Pädagogik (39) 2, S. 223-238

Gabler, H. (2002). Motive im Sport. Schorndorf: Verlag Karl Hofmann.

Pardel, T.; Maršálová, L.; Hrabovská, A. (1984). Dotazník motivácie výkonu. Bratislava: Psychodiagnostické a didaktické testy.

Rheinberg, F.; Duscha, R.; Michels, U. (1980). Zielsetzung und Kausalattribution in Abhängigkeit vom Leistungsvergleich. In: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie (12), 177–189.

Roberts, G. C. (2001). Understanding the Dynamics of Motivation in Physical Activity: The Influence of Achievement Goals on Motivational Processes. In: G. C. Roberts (Hrsg.). Advances in Motivation in Exercise and Sport. Champaign, IL: Human Kinetics, S 1-50.

Spinath, B.; Schöne, C. (2003). Subjektive Überzeugungen zu Bedingungen von Erfolg in Lern- und Leistungskontexten und deren Erfassung. In: J. Stiensmeier-Pelster; F. Rheinberg (Hrsg.). Diagnostik von Motivation und Selbstkonzept. Göttingen: Hogrefe, S. 15-27.

Trudewind, C. (1975). Häusliche Umwelt und Motiventwicklung. Göttingen: Hogrefe.

Vallerand, R. J. (1997). Toward a Hierarchical Model of Intrinsic and Extrinsic Motivation. In: M. P. Zanna (Hrsg.). Advances in Experimental Social Psychology. New York: Academic Press, S.271-360.